Der Prager Architekt Stanislav Tobek ist einer der weniger bekannten Schüler von Josef Gočár. Er stammte aus einer in Osík bei Litomyšl „verwurzelten“ Familie, die eine langwierige architektonische Tradition hatte – auf diesem Fachgebiet war sowohl sein Vater Antonín, Absolvent der Wiener Akademie und Pädagoge an Bauschulen in Prag und Jaroměř, als auch sein Cousin František (u.a. der Archiekt des Friedhofs von Osík) tätig.
Stanislav Tobek studierte an der fachlichen höheren staatlichen Industrieschule in Brünn. Von 1929 bis 1932 besuchte er die Spezialabteilung von Josef Gočár an der Prager Akademie der bildenden Künste. Hier lernte er die Architekten Lev Krča und Jaroslav Kincl kennen, mit denen er nach einem kurzen Praktikum im Atelier von Jaroslav Fragner ein Architekturbüro gründete. Ihre Gebäude zeichneten sich durch raffinierte funktionalistische Formen aus, die oft von ausländischer (meist deutscher) Architektur inspiriert waren. Berühmt wurde das Büro Kincl-Krča-Tobek vor allem durch die Entwicklung von typischen Einfamilienhäusern aus einer montierten Stahlkonstruktion aus den Eisenhütten Vítkovice (Ostrava). Sie ließen ihr „Produkt“, das den Bau von Einfamilienhäusern beschleunigen sollte, patentieren. Sie präsentierten es in der damaligen Presse (z. B. Pestrý týden (Bunte Woche)), die Realisierungen waren jedoch spärlich (am bekanntesten sind die Villen von Josef Železný in Jimramov und von Maxmilián Záveský in Dobřichovice). Auch ihre Sportgebäude „sokolovny“ hatten ein hohes architektonisches Niveau, insbesondere das Sportgebäude in Domažlice. Kurz vor der Auflösung des Büros im Jahr 1938 entwarfen sie die beeindruckende funktionalistische Tribüne des Stadions der Witkowitzer Bergbau- und Hüttengewerkschaft, das ebenfalls mit einem Skelettbau aus Stahl gebaut wurde.
1938 gründete Tobek ein unabhängiges Atelier in Prag, er lebte in der Nepomucká-Straße in einem Abschnitt eines nach seinem eigenen Projekt vorgefertigten Doppelhauses. Er konzentrierte sich nicht nur auf Projekte der Bodenbauten (Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser, Schulen, Sportgebäude - „sokolovny“), sondern auch auf städtische Regulierungen und Werbeentwürfe. Im Gegensatz zu den streng modernen Entwürfen in der Intention des „weißen Funktionalismus“ wechselte er auf eine eigene Schiene und kehrte zu eher traditionalistischeren Formen zurück (Walmdächer mit Mansarden, Ziegelstreifen, massive Sandsteinbossenwerke), die er immer wieder mit modernen Elementen (insbesondere Bandfenstern, großen verglasten Teilen usw.) ergänzte.
Die 1950er Jahre brachten Tobek nicht nur das Ende des eigenen Ateliers (1950) und der anschließenden Tätigkeit im Industriebauwesen, sondern auch mehrere Jahre Gefängnis in Pankrác. Zusammen mit anderen bedeutenden Persönlichkeiten der modernen tschechischen Architektur, wie Jaroslav Vaculík (mit dem Tobek übrigens 1956 das „Studio 13“ gründete), Jiří F. Kaisler, Theodor Pisch, František Bäumelt oder Bedřich Rozehnal wurde er hier aus konstruierten Gründen (angebliche Veruntreuung öffentlichen Eigentums), für die funktionalistische Vergangenheit und „unbefriedigende“ Ansichten von architektonischer Weltoffenheit und modernistischem Formalismus usw. festgehalten. Inhaftierte Architekten sowie andere Ingenieure und Bautechniker nutzte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei (KSČ) für das Projekt eines geheimen Erholungszentrums in Vystrkov beim Orlík-Stausee an der Wende der 1950er und 1960er Jahre aus, das „zur Enstpannung von Politikern und anderen Funktionären des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei oder ausländischen Gästen“ dienen sollte. Obwohl die Architekten der Projekte einzelner Gebäude im Luxusresort (Hotel, Häuser der Parteifunktionäre und Villa des Präsidenten Antonín Novotný) nicht mit Sicherheit bekannt sind, wird Stanislav Tobek zu ihnen gezählt, da er zu der Zeit des Entwurfs des „Gefängnisprojekts“ im Gefängnis Pankrác anwesend war. Nach Zeugenaussagen nahm er auch am Projekt eines Hockeystadions in Prag-Bubeneč teil.
AW
1932–1933
Villa von Jarmila Štěpničková (mit Lev Krča)
Na Vyhlídce 390, Dobřichovice-Brunšov
1933
Sportgebäude „Sokolovna“ (mit Lev Krča)
Tyršova 403, Bystřice nad Pernštejnem
1933–1934
Sommerhaus von Maxmilián Záveský (mit Lev Krča)
Na Vyhlídce Reg.-Nr. 394, Dobřichovice-Brunšov
1934
Familienhaus (mit Jaroslav Kincl und Lev Krča)
K Habrovce 675/8, Prag-Krč
1936
Sportgebäude „Sokolovna“
Benešova 281, Domažlice (mit Lev Krča)
1936–1937
Villa von Josef Železný (mit Jaroslav Kincl und Lev Krča)
Dolní 257, Jimramov
1937
Zweifamilienhaus (mit Jaroslav Kincl und Lev Krča)
Nepomucká 659/11–658/13, Prag-Košíře
1937–1939
Stadion der Witkowitzer Bergbau- und Hüttengewerkschaft (mit Jaroslav Kincl und Lev Krča)
Závodní, Ostrava-Vítkovice
1939–1940
Familienhaus
Charlese de Gaulla 914/25, Prag-Bubeneč
1939–1941
Familienhaus
E. Beneše 128/11, Říčany-Radošovice
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