Das ausdrucksvollste Gebäude der Wende der 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts in Litomyšl ist zweifellos das Gebäude der II. Grundschule („U Školek“) auf einem exponierten Grundstück in der Tomáš G. Masaryk-Straße. Ihre Entstehung wurde durch die nicht mehr ausreichenden Unterrichtsmöglichkeiten im Gebäude der Pädagogischen Schule (02-22) erzwungen. Das reich gegliederte Gebäude mit charakteristischen Fassade, die eine rote Keramikverkleidung und einen hellen Putz erhielt, durchlief eine interessante Entstehungsgeschichte, unter anderem im Zusammenhang mit der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen nach 1989.
Der neue Schulkomplex entstand Ende der 1980er Jahre, in einer Zeit des vielleicht größten Rückgangs des Baugewerbes. Als 1987 der Architekt Radim Bárta aus dem Pardubicer Zentrum von Stavoprojekt Hradec Králové das Projekt übernahm, wurden die meisten Gebäude als standardisierter Plattenbau konzipiert. Auch die Schule in Litomyšl sollte als standardisierter Pavillonkomplex mit einem Eisenbetonskelett (S 1.2), gefüllt mit Eisenbetonplatten, konzipiert werden. Geplant waren Klassenzimmer-, Verpflegungs- und Turnhallenpavillons sowie Heizraum- und Werkstattgebäude, die durch verschiedene Korridore miteinander verbunden sein sollten.
Bei den Verhandlungen wurde das Bauprogramm um eine Kantine für das Gymnasium und die Mitarbeiter des damaligen Städtischen Nationalausschusses, einen Zivilschutzraum für die Grundschulkinder und eine Hausmeisterwohnung erweitert. Bei der Verwendung standardisierter Gebäude war es jedoch nicht möglich, solche in ein schräges und flächenmäßig begrenztes Gebiet zu realisieren. Der Architekt entwarf daher einen völlig untypischen, räumlich strukturierten, mehrgeschossigen Monoblock, der durch mehrere Eingänge zugänglich war – sowohl von innen für den Unterricht, als auch von außen mit abgetrennten Eingängen für die Öffentlichkeit. Von der ursprünglichen Konzeptionierung des typisierten Gebäudes blieb nur die Vorgabe zur Anwendung des S 1.2-Skeletts und soweit es umsetzbar ist, die Verkleidung aus Paneelen zu verwenden.
Die städtebauliche Gestaltung gliedert sich in die Form des abgegrenzten Gebiets und das des Raumkonzepts der ehemaligen Masaryk-Landesindustrieschule (04-659) in der Nachbarschaft ein, deren Längsachse senkrecht zur Straße steht. Im hinteren – ruhigeren – Teil des Grundstücks, der der Natur zugewandt ist, platzierte der Architekt den vierstöckigen Klassenpavillon mit Haupteingang. Zur Straße hin folgte ein verengter und abgesenkter (Geschoss-) Verbindungstrakt und schließlich der Teil mit einer Kantine und einer Turnhalle. Alle öffentlichen Eingänge sind von der Straße aus nach Osten gerichtet. Als Pendant wurden der Eingang zur Schule für die Schüler und der Aufenthaltsbereich auf die Südseite, in die Ruhezone des Muldentals verlegt, sodass kein (potentiell gefährlicher) Kontakt zum Autoverkehr entsteht. Neben der individuellen Grundrisslösung setzte der Architekt eine untypische rote Keramikverkleidung der Fassade oder Sonnenschutzlamellen durch, viele andere Planungen, wie z.B. die Nutzung des Daches über dem Verbindungstrakts als begrünte Aufenthaltsterrasse wurde jedoch von den Behörden abgelehnt.
Der Bau begann mit dem Klassenzimmer im hinteren Teil des Monoblocks. Der Wandel der sozialen Verhältnisse im Jahr 1989 ermöglichte es, dass die Architektur des restlichen Gebäudeteils in letzter Minute unter Beibehaltung der Gesamtkomposition bearbeitet werden konnte. Der vordere Trakt erhielt damit eine neue, „dramatische Figur“ in Form eines seitlichen Trapezschildes. Die Dynamik seines schrägen Arms wurde durch die erhöhte Platzierung des Gipfels in die neue Attika unterstützt. Das geplante Flachdach im hinteren Teil des Trakts wurde durch ein Segmentdach mit Blechverkleidung ersetzt. Ein untypisches Element ist die offene Außentreppe, die ebenso wie die Turnhalle im Obergeschoss überdacht ist, und die Kantine im Erdgeschoss und den Speisesaal im Untergeschoss (Zivilschutzraum) den Bürgern zugänglich macht, diese bildet den Teil des öffentlichen Raums.
Von Beginn des Projekts an war ein Kunstwerk mit vertikaler Aussrichtung an der Straßenfront geplant. Ursprünglich sollte es sich um eine Steinskulptur eines jungen Mädchens des Bildhauers Petr Novák aus Jaroměř handeln. Im Rahmen der Veränderungen des Projekts änderte sich auch die Wahl des Kunstwerks. Die Stadt schrieb einen öffentlichen Wettbewerb dafür aus, bei dem der Entwurf von Petr Bartoš und Josef Vajce, einem akademischen Bildhauer (der sich oft architektonischen Realisierungen widmete) gewann. Die Künstler schufen eine nicht-figurative Plastik aus geometrischen Holzkörpern - „Perlen“, die auf einer vertikalen Metallstange am Eingang der Außentreppe aufgereiht sind.
Derzeit (2019) verläuft der Aufbau des Verbindungstrakts, der ebenfalls vom Architekten Radim Bárta entworfen wurde, der zwar die ursprüngliche Komposition und die Proportionen des Gebäudes aufbricht, aber den nötigen Platz für vier neue Klassenzimmer schafft.
AW